Entdeckungen mit der „Nautilust“


Während der letzten 30 Jahre habe ich etliche Filme über die Begeisterung von Kindern in der Natur produziert. An einen erinnere ich mich besonders gern. Er brachte mich vor 10 Jahren auf die „Nautilust“, einen ungewöhnlichen Forscherkahn im Spreewald. Als ich ihn im Internet entdeckte, kam mir sofort die Idee, mit Kamerafrau Eliane Rehor eine solche Kahnfahrt zu drehen. Am besten im Sommer bei herrlichem Sonnenschein.

Ein aufwendiges Casting für unsere restliche Besatzung brauchten wir nicht. Ich konnte eine junge Frau aus Mali mit ihren beiden Kindern Jenny und Arthur für unser Filmprojekt gewinnen. Jutta Schölzel, die Geschäftsführerin von FÖN, brachte einen Berliner Redakteur mit seinen Söhnen Oscar und Gustav mit auf den Kahn.
Wir waren alle ein bisschen aufgeregt. Warum nur? Wir wussten doch genau, dass wir auf der „Nautilust“ anheuerten und nicht auf dem Unterseeboot von Kapitän Nemo. Wir würden nicht zwanzigtausend Meilen ins Meer abtauchen in die phantastische Welt Jules Vernes. Nein, wir wollten nur 5 Kilometer auf dem „Bürgerfließ“ gemächlich dahingleiten. Das Fließ war ziemlich schmal, kein Vergleich zur Spree in Berlin, die wir kannten. Gisela Hovestadt, unsere witzige Kapitänin auf dem Forscherkahn, klärte uns gleich beim Einsteigen auf, warum. „Das Bürgerfließ ist eines von vielen kleinen Wasserarmen, die die Eiszeit vor 12.000 Jahren uns hier hinterlassen hat. Wir werden also nur einen kleinen Ausschnitt dieses einzigartigen Wasserlabyrinths im Spreewald kennenlernen.“ Sprach’s, drückte Jenny und Arthur gleich den Kescher in die Hand und bat Oscar und Gustav, einen Blick unters Mikroskop zu werfen.
Gisela war es wichtig, dass die Vier viel selbst entdecken, untersuchen, Fragen stellen und natürlich Spaß haben dabei. Das Geschwisterpaar aus Hennigsdorf fing eine Muschel im Kescher. „Normalerweise liegt die eingegraben im Sand am Fließgrund“, erklärte unsere sympathische Kapitänin, „die lässt bis zu sieben Liter Spreewasser täglich durch ihr Gehäuse strömen. Von den Trübstoffen im Wasser ernährt sie sich und hält so die Spree sauber.“ Aha, wieder was dazugelernt, dachte ich; musste im selben Moment über Giselas Grimassen lachen. Sie zog den Mund zusammen, ahmte die Muschel nach, wie sie das Wasser ansaugt, um es wenig später mit zusammengepressten Lippen wieder auszustoßen. Solch anschauliche Demonstration haben sich die Kinder bestimmt eingeprägt.

Die Berliner Brüder Gustav und Oskar hatten derweil unterm Mikroskop eine Köcherfliegenlarve entdeckt. „Die hat sechs Beine“, sagte Gustav. „Nein, die hat nur vier. Die anderen beiden sind Kiemen, mit denen sie atmet“, erklärte Gisela. Deshalb schauten alle jetzt genauer hin und sahen die winzig kleinen fächerförmigen Gebilde, die Gustav fälschlicherweise für Larvenbeine hielt. Plötzlich richteten sich alle Blicke auf eine Schlange im Wasser neben unserem Kahn. „Ist die giftig“, fragte Oscar etwas ängstlich. “Keine Sorge“, beruhigte ihn unsere Naturführerin. „Das ist eine Ringelnatter. Im Spreewald gibt es viele und genauso viele Sagen über sie. Die Schlange gilt als Glücksbringer hier. Man erkennt die typischen Spreewaldhäuser an den hölzernen Schlangenköpfen auf ihren Dachfirsten.
Auf dem Rückweg konnten wir noch gebänderte Prachtlibellen auf ihrem Hochzeitsflug bewundern. Das Männchen mit vier blauen Flügeln, das Weibchen mit vier metallisch grün funkelnden. So schön sind sie nur ein paar Wochen. Ihre Larven leben viel länger. Manchmal brauchen sie zwei bis fünf Jahre, ehe aus ihnen eine wunderschöne Prachtlibelle wird.
„Oh, schade“, seufzte Gustav, „dass wir gleich aussteigen müssen. Auf der ‚Nautilust‘ habe ich gar nicht gemerkt, wie schnell die Zeit vergangen ist. Ach, wäre doch jede Schulstunde so interessant.“ Wie wahr, dachten wir Erwachsenen und schmunzelten. Die Kinder bedankten sich mit Applaus bei Gisela.
Erst vor kurzem habe ich mir den Film „Im Reich des Schlangenkönigs - Sagenhafte Entdeckungen mit der Nautilust“ mit den Enkeln meines Lebensgefährten angesehen. Sie saßen wie gebannt vor dem Bildschirm und fanden spannend, was sie alles erfuhren. Sie wollten von mir wissen, ob es die „Nautilust“ noch gibt, wo der Forscherkahn liegt, ob der Film noch zu sehen ist und wo? Natürlich wollte ich die Fragen so schnell wie möglich beantworten, habe nach zehn Jahren noch einmal recherchiert: Die „Nautilust“ ist von Mai bis September weiterhin unterwegs auf den Spreefließen. Sie gehört der Gemeinschaftlichen Wohnungsbaugenossenschaft Lübbenau. Die bietet ganz unterschiedliche Touren für jedes Alter an. Mehr Informationen dazu findet man auf der Internetseite der „Nautilust“.

Ausschnitte aus dem Film „Im Reich des Schlangenkönigs...“ könnten auf dem YouTube Kanal der Genossenschaft gezeigt werden, versprach Vorstandssprecher Holger Siebert.
Nur unsere fabelhafte Naturführerin Gisela Hovestadt wohnt und arbeitet jetzt in Cottbus. In einem Ingenieurbüro betreut sie Umweltprojekte. Manchmal sehnt sie sich nach der „Nautilust“ und den neugierigen Kindern. Wer weiß...

Uta Greschner